1. Tag,  Freitag,  24.05.96,  22.05 Uhr

Zwischen uns und Cottbus liegen 515 km! Das hätten wir gar nicht erwartet, daß wir soweit kommen, zumal wir 20 min. später als geplant losgefahren sind. Das Wetter zeigte sich fast von seiner positiven Seite. Es schien immerhin (seit Wochen zum ersten Mal) die Sonne, aber ein paar Wolken, darunter einige wenige dunkle Regenwolken, ließen keinen strahlend blauen Himmel zu. Und windig war es außerdem, aber eben nicht kalt. So ließ es sich aushalten.
Bis Pirk fuhren wir auf der Autobahn, hatten kurz hinter Dresden einen kleinen Stau. Das Stück fuhr sich wegen der schlechten Straßenqualität besch ..., diente jedoch gut dem Kilometerschrubben. Ab Pirk durchfuhren wir das Vogtland, passierten geradewegs das Fichtelgebirge, schließlich die Oberpfalz und sind jetzt ein paar Kilometer südlich von Regensburg entfernt in einem Nest namens Eggmühl. Hier gibt es eine feine Pension, die zwei Doppelzimmer für uns hat und ein anständiges Abendbrot. Unterwegs hielten wir nur zweimal zum Tanken sowie einer kleinen Rast auf einem idyllischen Parkplatz (mit Regenbogen im Hintergrund). Jedenfalls haben wir den größten Teil der Strecke bis zu unserem Zielort geschafft, so daß wir den Tag morgen in aller Ruhe angehen können. Morgen kommt der schönste Teil der Strecke, ganz sicher werde ich da etwas aktiver mitfahren als heute. Mir wurde nämlich von Andreas und Jens bescheinigt, daß ich mindestens 2 x äußerst passiv mitgefahren bin. Zu gut deutsch: Ich habe geschlafen! Das waren aber nur zwei kleine Stückchen auf der Autobahn, die sind doch so langweilig.

2. Tag,  Samstag,  25.05.96,  342 gefahrene km

Ich sitze frisch geduscht auf der Terrasse unserer Ferienwohnung in Pfalzen - mit Blick auf einen niedlichen Kirchturm und in ein weites Hochtal. Pfalzen liegt in etwa 1020 m Höhe. Auf jeden Fall sind wir gut angekommen.
Doch erst einmal einen Blick zurück zu unserem heutigen Start von Eggmühl aus. In der Nacht hatte es geregnet, die Straßen waren naß, aber die Sonne lugte schon, als wir um 8.45 Uhr losbrausten. Und tatsächlich besserte sich das Wetter zusehends. Über die österreichische Grenze fuhren wir per Autobahn, verließen sie jedoch gleich bei der Ausfahrt Kitzbühel, um zum Felbertauerntunnel zu gelangen. Die Sonne begleitete uns. Doch nach dem Felbertauerntunnel kam es ganz dick auf uns zu - es regnete sehr stark, obwohl stückchenweise die Sonne lachte. Dann war wieder mal ein Stück Straße trocken, um gleich darauf wieder naß zu sein - sehr wechselhaft. Bert überlegte schon fast, nicht über den Stallersattel in 2050 m Höhe zu fahren, doch Andreas sagte gleich, daß das Quatsch wäre. Die Fahrt hoch zum Stallersattel ging von den Kehren her. Man könnte sagen, sie waren zum Angewöhnen. Genau auf dem Sattel befindet sich die österr./italien. Grenze. Von dort darf man nur in den ersten 15 Minuten jeder vollen Stunde nach Italien hineinfahren. Wir hatten Glück, denn 13 min. nach Zwei passierten wir die Grenze. Schon nach den ersten Metern abwärts wußten wir, warum es diese komische Regelung gibt: Die Straße ist so eng in den Kehren und grundsätzlich schmal, daß nur ein Fahrzeug in eine Richtung fahren kann. Von unten kam nämlich in dieser Zeit kein Fahrzeug, weil sie unten am Antholzer See standen und nur jeweils zwischen der dreißigsten und fünfundvierzigsten Minute jeder Stunde hochfahren dürfen.
Der Regen verfolgte uns bis in das Tal hinunter, dann war auf einmal Schluß. Als wir in Bruneck hineinfuhren, war weit und breit nichts vom schlechten Wetter zu sehen. Im Gegenteil: Die Leute liefen sommerlich gekleidet draußen rum, saßen vor den Cafes und genossen den Pfingstsamstag.
Ohne Probleme fanden wir den Abzweig nach Pfalzen und kamen 16.03 Uhr bei dem Hotel an, wo wir unsere Schlüssel erhalten sollten. Doch wahrscheinlich hatten die Besitzer nicht mit unserer Pünktlichkeit gerechnet - es war niemand da. So suchten und fanden wir erst einmal unser Domizil, fuhren wieder zum Hotel, trafen die Besitzer und fuhren wieder her. Ich ging dann (wie bereits erwähnt) duschen und räumte unsere Sachen ein, während die Männer ihren ersten Einkaufsbummel (man bedenke: Samstag, 17.00 Uhr!) unternahmen.
Tja, damit können dann morgen die Dolomiten-Rundfahrten beginnen - bei hoffentlich gutem Wetter!
 

3. Tag, Pfingstsonntag, 26.05.96, 248,5 gefahrene km

In 9 ½ h rollten wir auf wunderbaren 248,5 km Dolomitenstraßen umher - und die Sonne begleitete uns wohlwollend! Das war der schönste Pfingstsonntag, den wir uns wünschen konnten. Wenn man nun noch Busse, Autos und Fahrradfahrer in den Dolomiten verbieten würde (da sie ja so und so nur die Minderheit gegenüber den Motorrädern darstellen) - tja, dann wäre das Paradies für Biker perfekt!
Es gibt keine Straße, die keinen Spaß macht, mit dem Motorrad befahren zu werden. Ob mit vielen Kehren aus dem Baumbereich in die Hochgebirgsregion kommend oder mit sanften Kurven in einem Hochgebirgstal (so zum Falzaregopass in 2117 m Höhe) oder in einem Taleinschnitt abwärts mit einer Felswand auf der rechten Seite und einem tieferliegenden Flußbett auf der linken Seite. Heute hatten wir all diese Straßen dabei und ich glaube für alle sprechen zu dürfen, daß sich jeder vollends zufrieden fühlt. Und dies, obwohl der Tag nicht so vielversprechend begann:
Früh um 6.00 Uhr wurden Bert und ich sehr laut geweckt - mit Glockengeläut. Die Glocken bimmelten scheinbar so lange, bis auch der letzte Gläubige wach war. Bis 8.45 Uhr ist dann wohl Zeit für die Kirchengemeinde, sich zu sammeln, denn dann wird eine Viertelstunde zur Messe gerufen - wieder mittels Glocken. Unser Bedarf an Glocken ist bereits heute gedeckt - hoffentlich ist es unter der Woche etwas ruhiger. Den nächsten Streß hatten Jens, Bert und Andreas beim Start kurz nach 9.00 Uhr, da Jens sein Motorrad nicht ansprang. Also war Schieben angesagt. Dabei kamen natürlich alle tüchtig ins Schwitzen. Nun „quietscht“ Jens sein Motorrad noch mehr! Doch danach konnte uns nichts mehr aufhalten.
Zuerst ging die Fahrt nach Innichen, um dann ein großes Stück der Tour 56 aus dem Motorradführer von Denzel zu folgen: Die SS 52 über Sexten, Kreuzbergsattel bis zur SS 532 und weiter eine 12%ige Steigung auf den S. Antonio Pass. Sattel und Pass waren allerdings viel zu niedrig, um viel von den Dolomiten zu sehen. Ohne großen Aufenthalt fuhren wir weiter nach               S. Catarina, einem echt italienischen Bergstädtchen. Dort ist von Deutsch nichts mehr zu merken. Von dort fuhren wir auf der „SS 48“ direkt nach Cortina d` Ampezzo zum Mittagessen in die vor einem Jahr kennengelernte Pizzeria.
Abgesehen vom guten  Essen lohnte sich der Abstecher schon wegen der vielen anderen Motorräder, die sich in großer Anzahl auf dem Marktplatz trafen. Ein schöner Anblick, der uns schnell vergessen ließ, was wir etwa 13 km vor Cortina erblicken mußten. Ein Motorradfahrer war gerade verunglückt, aber zum Glück wohl nicht besonders schwer, da der bereitstehende Rettungshubschrauber nicht gebraucht wurde. Stattdessen brachte ein Rettungswagen den Verunglückten weg. Und in dieser Situation als Motorradfahrer vorbei zu fahren, gehört nicht gerade zu den angenehmsten Augenblicken!
Zurück zu Cortina und dem gemütlichen Mittagessen. Danach ging es wieder über den Tre Croci Pass bis zum Misurina See. Von dort aus beschrieb der „Denzel“ zwei Abstecher: einen mittelschweren und einen schweren. Letzteren wollten wir natürlich fahren, doch so ein komisches weißes rundes Schild mit rotem Rand hinderte uns daran. Also begnügten wir uns mit der „mittelschweren“ Strecke zu den „Drei Zinnen“ bzw. auf italienisch: Tre Cime de Lavaredo“ und berappten sogar die 10,00 DM pro Nase für die gebührenpflichtige Straße. Bereut haben wir es nicht, denn immerhin erreichten wir eine Höhe von 2450 m, auch wenn wir oben überhaupt nichts sahen, da wir mitten in Wolken steckten.
Die trieben überhaupt heute ihr Spiel mit uns: Mal ließen sie den Blick auf einen Gipfel frei, um ihn wenig später zu verstecken und uns dafür einen anderen zu zeigen. Das war aber nicht so schlimm. Wichtig war nur, daß es nicht regnete. Und die zwei Tropfen, die sich auf meinem Helm verirrten, kann man nicht für voll nehmen. Nun ging es so langsam Richtung „Heimat“. Wir entschieden uns für die Strecke über den Schluderbach - Lago Bianco - Corti-na d`Ampezzo - Falzarego Pass - Valparola Pass.
In St. Kassian bzw. kurz danach legten wir noch eine Ruhepause auf einer grünen Wiese ein und ließen uns eine Weile von der Sonne bescheinen. Das tat richtig gut, doch alles hat ja mal ein Ende. Als nämlich von links schwarze Wolken hoch kamen, machten wir uns auf die Räder über St. Martin und Bruneck in unser Domizil. Kaum waren wir angelangt, ging dort ein Gewitter runter, wo wir herkamen. Eben Glück gehabt!
"Wir sind ja auch alle Engel!"
Nachtrag: Abends gingen wir noch vorzüglich Abendbrotessen im Gasthaus „ Jochele“. Jens bezahlte die Getränke, so daß sein Motorrad jetzt nicht mehr „quietscht“.
 

4. Tag,  Pfingstmontag,  27.05.96,  44 gefahrene km

Unsere Tagesleistung beträgt heute sage und schreibe 44 km! 22 davon auf der Sonnenstraße Pfalzen - Terento mitten in den Wolken, die restlichen 22 km auf der Sonnenstraße Terento - Pfalzen inmitten pladdernden Regens. Ich soll extra schreiben, daß Jens 2 x naß geworden ist, weil er 2 x eine volle Ladung Gischt von einem entgegenkommenden Auto abbekommen hat. Seine Schuhe waren trotz überstülpter Plastiktüten pitschenaß. Ebenso ging es meinen Handschuhen und auch Berts „wasserdichten“ Handschuhen. Das Wasser ging wohl rein, aber nicht wieder raus. Alles in allem war das also unser Versuch, dem ausgesprochen schlechten Wetter zu trotzen und eine kleine Tour zu machen (übrigens zwischen 13.00 Uhr und 14.00 Uhr). Danach gab es Nudeln mit Tomatensauce. Die Männer spielten vormittag und den restlichen Nachmittag Skat. Ich spielte ein wenig allein Letra Mix, schlief sehr viel - was natürlich auch mal sehr angenehm ist - und unternahm vorhin noch einmal den Versuch, ein Weilchen an der frischen Luft zu verbringen. Es schien sogar etwas Sonne; dennoch wurde ich letztendlich rund 1 km vom erneuten Regen nach „Hause“ gejagt.
 

5. Tag,  Dienstag,  28.05.96,  309 gefahrene km

Der Wettergott hat uns erhört: Nur heute früh flüchteten wir im Nieselregen vor einer grauen Wolke, die über den Alpenrand rüberschwappte. Doch irgendwo zwischen Vandois und Franzensfeste (E 45) erreichten wir den Rand der Wolke und hatten nunmehr Sonne und blauen Himmel sowie immer weniger werdende Wolken über uns. Außerdem erlebten wir heute früh und abends sehr kalte Luftschichten (7°C auf dem Motorrad mit Sommerhandschuhen empfindet man eben als sibirische Kälte, wenn man Jana heißt), aber den größten Teil des Tages recht warme Luftschichten. Aber das schönste waren natürlich die Straßen entlang der Berge, inmitten der Berge und auf den Bergen. Imposant vor allem die über Nacht weißgewordenen Gipfel, deren Schneedecken zum Glück für uns nur bis zur 2 000 m - Grenze reichten. Und bis wir die 2 000 m erreichten, waren die Straßen wieder frei.
Wir sind nämlich erst relativ spät losgefahren: 10 vor 10 Uhr. Über Bruneck machten wir uns auf den Weg zum Jaufenpass in 2094 m Höhe. Wie schon gesagt ein sehr eisiges Vergnügen. Zudem machte uns heute den gesamten Tag über der meist sehr starke Wind zu schaffen. Da hatte man manchmal Angst, von der Kehre gepustet zu werden. Dementsprechend zugig war es auch oben auf dem Pass. Dafür wurde es auf der Südseite zunehmend wärmer. Unten im Tal sahen wir auch die ersten Weinfelder, die auf dieser Seite gut geschützt gedeihen können.
Leider fuhr es sich bis Bozen nicht so gut, weil die Straße stark befahren war, so daß wir mehr mit Bremsen als mit Gas geben zu tun hatten. Von Bozen aus beschrieb der bereits erwähnte „Denzel“ die alte und die neue Straße nach Jenesien, ein kleiner Abstecher auf dem Weg in das Sarntal. Beide Straßen probierten wir aus und würden es auch jedem empfehlen. Die neue Straße ist reizvoll ob der vielen Tunnel. Zwar sind sie fast alle unbeleuchtet, aber dafür nur einige wenige sehr lang, so daß man das Gefühl hatte, in einer riesigen, tiefschwarzen Höhle zu stecken. Und mit Hilfe der neuen Straße kommt man auch nach kurzer Zeit mit etwa 18%iger Steigung in Jenesien an. Das klappt wiederum mit der alten Straße nicht mehr, weil sie etwa ab der Hälfte in Privatbesitz übergegangen ist. Die alte Straße zu beschreiben fällt mir sehr schwer. Zum Anfang - am Gscheibten Turm - steht ein Schild mit „22 %“ drauf. Zu sehen ist ein schmales Sträßchen, auf keinen Fall breiter als 1,90 m. Noch bevor wir rauf fahren konnten, müssen wir einem Auto Platz machen. Also dachte ich mir: So schlimm kann es gar nicht sein. Später dachte ich nur noch: Oh Gott, wie kann hier überhaupt ein Auto fahren! Bert hatte wegen mir dauernd das Gefühl, daß unsere „Yami“ (so haben wir unser Motorrad in diesem Urlaub getauft) jeden Moment vorne hoch geht. Wir sind aber alle drei gut hochgekommen und auch wieder runter. Die anschließende Fahrt bis zum Penserjoch (2214 m) begeisterte uns alle, den schönen gemütlichen Abstecher zum Durnholzer See natürlich eingeschlossen. Und ringsherum die herrlichsten Berge!
Auf der Fahrt vom Penserjoch nach unten ins Tal fuhren uns Andreas und Jens wieder weit voraus und legten sich dabei in den Kurven bis zum Profilende, wie sie hinterher stolz erzählten! Bert kann sich mit seinem Gepäck (ich) natürlich nicht ganz so in die Kurven legen. Spaß macht es trotzdem. Unten stießen wir wieder auf die E 45 und fuhren dann auf der Sonnenstraße nach Hause. Alle sind jetzt mächtig kaputt - bis morgen.
 

6. Tag,  Mittwoch,  29.05.96,  254 gefahrene km

Wieder liegt ein anstrengender, aber sehr schöner Tag hinter uns. Bei makellosem Wetter sind wir insgesamt 254 km gefahren und ca. 300 m auf einem Schneefeld gelaufen. Doch dazu später.
Heute sind wir zwar etwas weniger Kilometer als gestern gefahren, aber vom fahrtechnischen her war die Tour schwerer, da einige Pässe auf dem Programm standen. Die eigentliche und äußerst bemerkenswerte Tour begann nach dem Campolongo Pass in Arabba. Um 9.00 Uhr war Start in Pfalzen, gegen 10.00 Uhr durchfuhren wir Arabba in Richtung Pordoi Pass, den wir gegen 11.00 Uhr in 2 239 m Höhe erreichten und dabei 33 (!) Kehren zu bewältigen hatten. Bei Kehre Nr. 20 wollte ich die drei Motorräder mit dem Bergmassiv der Sella-Gruppe fotografieren. Netterweise stellte bzw. versuchte Andreas sich mitten in die Kehre zu stellen, damit ich die perfekten Einstellungen für ein gutes Foto machen kann. Doch - so erzählte er später - seine Füße fanden absolut keinen Boden, da die Kurve leicht überhöht gebaut war. Dies wiederum hatte zur Folge, daß Andreas einfach mit seiner „Jenny“ umfiel. Dabei rollte er sich perfekt vom Motorrad weg - und da lagen sie dann beide! Glücklicherweise ist weder bei Andreas noch bei „Jenny“ ein größerer Schaden zu verzeichnen: nur der Kupplungshebel beim Motorrad ist etwas verbogen. Das Foto haben wir natürlich trotzdem noch gemacht.
Auf dem Pordoipass legten wir eine größere Pause ein. Zuerst die normale Guckpause, die Jens auch gleich nutzte, um für sein Töchterchen eine Holzeisenbahn zu kaufen. Und als wir fast wieder losfahren wollten, war Bert noch neugierig auf die Preise für die Seilbahn zur Pordoi-Spitze in 2 950 m Höhe. Als er erfuhr, daß es nur 17.000 Lire (ca. 17,00 DM) pro Person kostet, war er nur noch neugierig, ob die Seilbahn überhaupt fährt, weil wir noch nichts gesehen hatten. Aber sie fuhr tatsächlich, so daß wir unter diesen Bedingungen zu den nächsten Fahrgästen gehörten. Jens hatte eigentlich nicht recht Lust dazu, aber wenn alle anderen wollen ....
Oben gab es allerdings keinen anderen Gedanken als: Wahnsinn, sieht das toll aus! Das ganze Plateau oben war bedeckt mit Schnee, dazu azurblauer Himmel, Sonne und ringsherum diese Berge! Und das beste daran, wir konnten dort oben einfach so rumlaufen, es gab keine Begrenzungen, bis auf die natürlichen - sprich Abgründe! Wir hüpften auf dem Schnee herum wie kleine Zicklein, anders konnten wir unserer Begeisterung nicht Luft lassen. Zudem stellten wir fest, daß es 12.00 Uhr war - und das hieß für uns Bergfest! Symbolisch stießen wir mit Sekt an und freuten uns, daß wir gerade dort oben Bergfest feierten.
Erst nachdem wir uns richtig satt gesehen hatten, fuhren wir zuerst mit der Seilbahn wieder runter zum Pass und dann mit den Motorrädern runter nach Canazei zu einem Mittagssnack - mit Speck-Brötchen und Eisbecher. Von Canazei aus ergötzten wir uns an dem Anblick der vergletscherten Gipfel der Marmolada. Um mit „Denzel“ zu sprechen: Sie zog uns tatsächlich in ihren Bann. Ein bißchen Pech hatten wir allerdings, da an vielen Stellen die Straße frisch geteert wurde und da fährt es sich nicht so gut. Auf dem letzten Stückchen vor Rocca Pietore existieren wieder mal zwei Straßen - eine neue und eine alte! Wie es sich für uns gehört, probierten wir auch die alte Straße aus und waren hellauf begeistert. Die Straße führt durch die Sottogudaschlucht, die nur Platz bietet für: links sehr hohe Felswände - Sträßchen und Flüßchen seitenwechselnd - rechts sehr hohe Felswände. Schade, daß die Schlucht nicht sehr lang war und deshalb das Vergnügen nur kurz. Ich möchte sagen, daß das unser zweiter Höhepunkt der heutigen Tour war. Nach Rocca Pietore führte uns eine Straße mit vielen Serpentinen auf die SS 48, wo wir nach rechts in Richtung Falzarego Pass fuhren und diesen nach vielen Kehren auch gut erreichten.
Oh - ich stelle gerade beim Zählen der Pässe fest, daß ich einen vergessen hatte, so den Fedaia Pass (2 047 m) als Nr. 3. Damit war der Falzarego Pass unser Pass Nr. 4.
Das Tal fuhren wir nun mal andersherum als amSonntag, bis rechter Hand die SS 638 abbiegt und wir den Giau Pass als Pass Nr. 5 anvisierten. Wieder befanden wir uns auf 2 230 m Höhe, und wieder ging es danach runter bis auf ca. 1 030 m. Unten in Villagrande bewegten wir uns wieder nach rechts, um auf der SS 203 über Andraz (1 420 m) und Arabba (1 602 m) unsere Rundtour zu beenden. Natürlich mußten wir noch einmal über den Campolongo Pass, denn anders wären wir sonst nicht nach Pfalzen gekommen. Nach 9 ¾ Stunden parkten wir die Motorräder vor dem Ferienhaus. Dieses Mal tun nicht nur den Männern Rücken und Handgelenke weh, auch mein rechter Arm schmerzt etwas, weil ich heute endlich gelernt habe, richtig mitzufahren. Man lernt eben jeden Tag hinzu! Nun werden noch diverse Rücken massiert (wenn die drei mit Skat spielen fertig sind), und dann gehts in die Falle - zum Ausruhen für die morgige Tour.
Nachtrag zum 29.05.96: Auf der Rücktour kurz vor dem Campolongo Pass hielt Andreas plötzlich ohne ersichtlichen Grund an und tanzte wie Rumpelstilzchen um sein Motorrad herum. Die „Jenny“ hatte 40 000 km geschafft!
 

7. Tag,  Donnerstag,  30.05.96,  254 gefahrene km

Allen stecken die bisher gefahrenen Kilometer in den Dolomiten in den Knochen, die Nächte reichen nicht zum Erholen. Deshalb gingen wir unsere heutige Tour ganz gemütlich an. Als Andreas auf den Tageskilometerstand schaute, staunten wir allerdings nicht schlecht - wir hatten wie gestern 254 km unter die Räder genommen! Und es standen 6 Sättel bzw. Pässe auf dem Programm. Die Strecke fuhr sich relativ einfach, weil nicht so viel Serpentinen auf den Straßen herumlagen. Große Teile waren langgestreckt und mit großzügigen Kurven versehen, so daß wir schneller voran kamen.
Also, zuerst ging es wieder auf der SS 244 - fast zur Lieblingsstrecke gehörend ob ihrer wedelnden Kurven - bis nach Kurfar, wo wir rechts zum Grödnerjoch abbogen. Da wir uns in Kurfar bereits in einer Höhe von 1522 m befanden, brauchten wir nur noch einen Höhenunterschied von 626 m bewältigen, um dann in 2 137 m Höhe das Panorama auf die Sella und den Langkofel genießen zu können. Nach einem kleinen Rundumblick stürzten wir uns auf den Sella Pass. Man braucht nur bis auf 1900 m runter, um dann bis 2 240 m schon wieder hoch zu fahren.
Das war dann auch unser höchster Punkt auf der heutigen Tour. Wir blieben aber auch hier nicht allzulange oben, sondern fuhren lieber ein kleines  Stück runter, weil die Männer mal Pu... mußten. Aus der PP wurde eine herrliche LP (lange Pause) mit Kaffee, Waffeln und Lesestunde aus dem „Denzel“. Wir wollten schließlich wie jeden Tag wissen, was wir unterwegs so alles sehen. Und dabei badeten wir auch noch ausgiebig in der Sonne.
Weiter ging es über Canezei (ohne Eispause) auf der SS 241 über den  Karerpass (1 753 m) und dann rechts abbiegend mit Blick auf den Rosengarten (in dessen Bann wir heute standen, weil wir richtig drumherum fuhren) zum Nigerpass (1 690 m). An den Höhenangaben ist ersichtlich, daß diese gesamte Strecke sich so ziemlich auf einer Ebene befindet, so daß wir zügig voran kamen. Die Pässe boten zudem keinen besonderen Ausblick und gaben deshalb keinen Grund für längere Pausen. Dafür legten wir eine weitere „Sonn - Pause“ am Ende des Tierser Tales ein, und zwar genau dort, wo die Straße in Serpentinen hinunter Richtung Brenner-Autobahn und SS 12 führt. So hatten wir wie im vergangenen Jahr einen wunderbaren Blick auf die Dolomitenausläufer. Bei der Gelegenheit entdeckte Bert einige Süßkirschbäume mit reifen Früchten, welche dann bald in großer Anzahl in den Bäuchen von Bert, Andreas und Jens verschwanden. Ein paar habe ich auch gegessen, aber ich widmete mich lieber dem Sonnenbad.
Nach dieser langen Pause wollten wir die nächste auf der Seiser Alm einlegen. Wir stellten sie uns vor als einen sanften, grünen und stillen Gebirgshügel inmitten des Naturparkes Schlern. Doch schon während der Auffahrt hätten wir skeptisch werden sollen, da sich ungemein viele Fahrzeuge auf der Straße befanden. Die Auffahrt eröffnete uns zwar reizvolle Ausblicke, doch der Anblick oben schreckte uns zutiefst ab und ließ uns schleunigst die 9 Kehren wieder runter fahren: Oben herrschte der pure Massentourismus. Nein, das ist nichts für uns. Da fuhren wir lieber weiter, aßen eine Kleinigkeit an der Grenze von St. Cristina nach Wolkenstein, passierten dieses Mal von der anderen Seite das Grödner Joch und legten einige Kehren später auf einer Wiese noch einmal eine richtig lange „Sonnenpause“ ein. Nach fast einer Stunde fuhren wir dann nach Hause - mit bereits gewohntem Zwischenstopp an der Tankstelle in Pfalzen. Der Tankwart kennt uns schon, doch wahrscheinlich haben wir heute dort das letzte Mal getankt. Naja, der Urlaub neigt sich langsam dem Ende entgegen.
 

8. Tag,  Freitag,  31.05.96,  242 gefahrene km

Eigentlich hätten wir heute nach 34 Kilometern von den Motorrädern steigen und um sie rum tanzen sollen. Früh dachten wir noch daran, weil wir damit die 2 000 km-Grenze überschritten hatten. Doch als es soweit war, haben wir es doch vergessen. Unsere Liesen haben uns das aber nicht übel genommen, zumal Jens seine endlich wieder in Ordnung ist. Zu verdanken hat er das kurioserweise dem Falschfahren von Bert.
Unsere Tour war geplant über die Sonnenstraße runter auf die E 66, welche wir dann gleich in Schabs verlassen wollten, um über eine kleine Nebenstraße nach Brixen zu gelangen. Andreas hielt schon an der Abfahrt nach Schabs, aber Bert war der Meinung, daß diese Abfahrt verkehrt war und fuhr geradeaus weiter. Jens und Andreas natürlich hinterher. Nun kamen wir an einer anderen Stelle in Brixen rein und mußten mitten durch die Stadt. Und dabei entdeckte Jens eine Motorradwerkstatt. Auf die lauerte er eigentlich schon seit Reiseantritt, weil er (s)eine (Öl)schraube locker hatte, besser gesagt, sie war sogar kaputt. Dadurch verlor seine Maschine beständig Öl. Die Werkstatt hatte sogar die passende Schraube für Jensens „Berta“ - gegen ein kleines Entgelt von 15.000 Lire - so daß „Berta“ jetzt trocken und Jens glücklich ist. Also war das gar nicht so verkehrt, daß Bert die Abfahrt erfolgreich ignoriert hat.
Von Brixen aus starteten wir eine Rundtour um die Plose herum mit einem Abstecher auf die Lüsner Alpe, die Palmschoß und zur Plose-Hütte in ca. 2 000 m Höhe. Aber so richtig konnten uns die Aussichten keine Begeisterungsrufe entlocken. Erstens, weil wir uns doch schon sehr an den Bergen satt gesehen haben, und zweitens, weil es durch die Hitze recht diesig war. Schön waren heute vor allem die vielen Straßen mitten durch die Wiesen. Am schönsten war die Pause am Lasanken-Bach. Das murmelnde Wasser, die Sonne, viele interessant aussehende Steine und die Ruhe ansonsten bildeten eine angenehme Abwechslung. Nach der Rundtour fuhren wir ein Stück in Richtung Klausen und bogen dann links in das Villnösser Tal ein. In St. Peter genehmigten wir uns als Mittagessen jeder ein Eisbecher. Der nächste Abstecher führte uns auf die Zauser Alm. Hier gab es zwar keinen Massentourismus, dafür aber abgesperrte Wiesen, auf denen man sich nicht ausruhen konnte. Auch hier kehrten wir wieder ohne Rast um und steuerten als nächstes das Würzjoch in 2 006 m Höhe an. Viel zu sehen gab es dort oben auch nicht. Ein Stückchen weiter fanden wir aber eine kleine Wiese - und die war unsere Ruhestatt für eine ¾ Stunde. Schlief sich das schön dort!
Unser nächstes und gleichzeitig auch letztes Ziel in den Dolomiten war der Kronplatz, auf den wir die ganze Woche von unserer Wohnung aus gesehen haben. Das sollte nun unseren krönenden Abschluß bilden, zumal die Gegend hier die Kronplatzregion genannt wird. Aber leider ist auch diese kleine Straße hoch zum Kronplatz inzwischen gesperrt. Da fuhren wir zumindest noch über den Furkelsattel in 1 759 m Höhe und dann über Olang, Valdaora und Bruneck nach Hause. Heute tanken wir tatsächlich zum letzten Mal in Pfalzen.
Nach 242 km stellten wir die Liesen vor dem Haus ab. Und zum Abschluß gehen wir jetzt noch einmal in den Gasthof „Jochele“ zum italienischen Abendessen.

9. Tag,  Samstag,  01.06.96,  525 gefahrene km

Nach 11 Stunden und 525 km stellten wir die Motorräder in Tannesberg (Oberpfalz) im Hof einer Pension glücklich, aber total erschöpft ab. Kurz nach 9.00 Uhr verabschiedeten wir uns von Pfalzen, nachdem wir noch eine sehr hohe Rechnung bezahlen mußten: die Telefonrechnung. Es war ja so bequem, von der Wohnung aus die lieben Verwandten anzurufen. Und die Chefin sagte ja auch am Anreisetag, daß die Einheit nur die normalen 30 Pf kostet. Wir dachten bloß nicht daran, zu fragen, wie lange eine Einheit dauert. Nachdem wir von den Telefonkosten (vorab am Freitagabend) erfuhren, probierten wir es an der Telefonzelle aus und kamen zu dem erschreckenden Ergebnis, daß 18 sec. 1 DM kosten. Dann war uns klar, warum wir für 10 Gespräche 110,00 DM zu bezahlen hatten! Das machte für Fam. Zadow einen Anteil von 55,00 DM. In dem Moment war uns allen das Telefonieren vergangen. Nun ja, man muß auch im Urlaub mal Lehrgeld zahlen.
Apropos Lehrgeld: Andreas hat gelernt, daß man sich in überhöhten Kehren nicht mit dem linken Bein aufstellen darf, wenn da keine Straße ist - sonst gibt es einen Umfall. Und Jens hat sicher gelernt, daß man vor so einer Tour wie dieser wenigstens 1 Woche vorher mit dem Motorrad eine Werkstatt aufsucht, damit dann während der Reise alles in Ordnung ist. Ja, und Bert hat gelernt, daß man in den Kehren nicht geradeaus fahren sollte, weil man sonst eine Begegnung der unheimlichen Art hat.
Nun aber weiter mit der sehr schönen Rückreise, die wir nach dem Motto gestalteten: Der Weg ist das Ziel! Auf der E 66 fuhren wir geradewegs nach Österreich, entlang der österreichischen Dolomiten, die sich bis Lienz erstrecken. Die Dolomiten auf dieser Seite sehen wieder ganz anders aus, fast wie zusammengedrückt, weil sich die italienischen so breit gemacht haben. Aber interessant zum Wandern sind sie bestimmt. Von Lienz begaben wir uns auf die Großglockner-Hochalpenstraße, für die man pro Motorrad 33,00 DM berappen muß. Dieses Geld hat uns im Gegensatz zum Telefongeld aber nicht gereut, weil die Tour zum Großglockner mit dem Motorrad ein absolutes Erlebnis ist. Zuerst beeindruckte die Gewaltigkeit des Großglockners, der mit seinen 3.797 m der höchste Berg Österreichs ist. Allerdings kommt man nicht hoch, sondern steht gegenüber auf der Franz-Josefs-Höhe in etwa 2 400 m Höhe und hat dabei auch einen herrlichen Blick auf das beeindruckende Gletschertal zu Füßen des Großglockners. Außerdem entdeckten wir direkt vor uns ein Murmeltier, welches wohl den Menschenrummel schon reichlich gewohnt ist und uns Zeit zum Beobachten ließ.
Auf der sehr gut ausgebauten Straße fuhren wir weiter zum Hochtor, welches unser höchstes befahrbares Ziel im Urlaub mit 2.505 m werden sollte. Uns wurde schon beim Hochfahren etwas bang, weil die Schneeschichten mit jeder Kehre zunahmen. Glücklicherweise aber nicht auf der Straße (die dampfte in der glühenden Sonne), sondern auf den Feldern zwischen den Serpentinen. Das „Hochtor“ selbst bot nichts außergewöhnlich neues, weil wir schon mehr als genug Tunnel gesehen und durchfahren haben.
So ging es auf der anderen Seite nach einem Fotostopp wieder langsam runter. Nach einem weiteren Tunnel gelangten wir in das Tal, in welchem die Straße bis ganz runter nach Bruck führt. Oben wurde noch ein letzter Ausblick geschaffen mit einem Mahnmal für diejenigen, die ihr Leben beim Ausbau der Hochalpenstraße ließen. Ich habe die Namen nicht gezählt, aber etwas über zehn waren es wohl. Außerdem war das Mahnmal dem Gründer und dem Architekten der Straße gewidmet. Rechts ab von dem Ausblick entdeckten wir noch einen befahrbaren Abstecher auf die Edelweißspitze. Diese ist 2 571 m hoch und wurde damit dann tatsächlich unsere höchste Stelle, die wir bis dato befahren haben. Auf der Edelweißspitze schauten wir uns auch  einmal in Ruhe die Alpen ringsumher an und beobachteten eine schweizer „Bubenrunde“ mit 7 Harley`s bei der Abfahrt. Ich kann nicht beschreiben, was genau an diesen glitzernden Frachtschiffen auf zwei Rädern so faszinierend ist, aber man guckt wie hypnotisiert darauf und kann den Blick nicht abwenden. Besonders dann nicht, wenn die Motoren gutmütig brummen wie Bären, die sich in der Sonne wälzen. Nachdem die Truppe davongerollert ist (einer der Herren ist kurzärmelig, ein anderer mit Zigarre im Mund losgefahren), ging Andreas zu seinem Motorrad und meinte: „ Nicht, Jenny, wenn Du mal groß bist, wirst Du auch eine Harley!“.
Nach dem Erlebnis Edelweißspitze begannen die Strapazen der Rücktour. Pausen gab es ab und an, dafür kurz und in den Alpen ging der Blick beständig nach oben zu den Wolken, die rechts und links bedenklich schwarz wurden. Wir schummelten uns wieder zwischendurch und kamen sogar bei den letzten Sonnenstrahlen um 20.00 Uhr in Tannesberg an. Alle waren dermaßen groggy, daß sie am liebsten überhaupt nicht mehr auf das Motorrad gestiegen wären. Jeder hatte nur noch im Kopf: nach Hause, Motorrad abstellen und mindestens eine Woche nicht mehr anrühren. Wie sagten sie so schön? „Der Fahrriemen ist abgeschliffen, jetzt ist es genug!“
 

10. Tag, Sonntag,  02.06.96,  386 gefahrene km

Iih, war das Wetter heute häßlich kalt zu uns. Deutschland hat uns wieder, wir merkten es ganz deutlich. Zwar hatten wir Glück auf unseren restlichen 386 km bis Cottbus, daß uns von den angekündigten Regenschauern über ganz Deutschland nur ein kleiner Schauer traf, doch die Kälte! Wir empfanden sie besonders gräßlich im Vergleich zu gestern, wo wir ja geschwitzt haben in unseren Lederkombis. Dennoch sind wir sehr zügig durchgekommen: 8.45 Uhr fuhren wir los, punkt 14.00 Uhr betraten wir unsere Wohnung nach 5 Stunden und 20 Minuten.

Und damit beginnt ab morgen wieder der Alltagstrott!